Mittwoch, 2. November 2011

Kuala Lumpur Spirit

Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, dass der Kreislauf kurz vor Zusammenbruch steht und setzt sich in eine Suppenbar. Das Geheimnis in Kuala Lumpur ist Vertrauen zu haben. Lass den Kellner das Essen für dich aussuchen und bestehe darauf, dass es nicht allzu scharf ist. Er wird dir etwas bringen, was ein bisschen mehr nach Europa aussieht, als der Rest. Wenn die Angstellten des Restourants nicht gerade den neusten malaysischen Popsong im dreistimmigen Kanon singen, werden sie dich mustern. Nach ein paar Minuten wird dir auffallen, dass alle dich Angucken, Blicke treffen sich. Du hast vergessen, dass du aus Deutschland kommst. Ein junger Kellner mit 3 farbigen Afro fasst sich ein Herz und fragt im ungezähmten malaysian english: " May ask you a question? Where are you from?" Sein Blick wirkt Neutral. Du probierst so beiläufig wie möglich deine Nudeln runterzuschlucken und sagst "We are from Germany". Was denkt sich dieser Kerl jetzt. Bleibt er distanziert, weil er eine Reportage über den zweiten Weltkrieg gesehen hat? Kennt er Deutschland überhaupt? Wir hatten das Sommermärchen, davon muss er doch gehört haben. Sein Blick bleibt neutral. "Germany?" Er scheint das Wort zum Ersten mal gehört zu haben. Auf einmal pulsieren seine Augen. Er ruft "Deutschländ! Görmeniiiiiii" Nun, er kennt dieses Land. Er wird leise. Malaysier werden immer leise. Wenn man etwas nicht versteht, werden sie einfach noch leiser und reden schneller, als ob sie das Bedürfnis haben es schnell hinter sich zu bringen. Er sagt " Mikehl Zumaser?" Du fragst nach und er sagt noch etwas leiser und schneller "Mik...ael Z...uma..ser". Auf einmal durchzuckt es dich wie ein Blitz. Michael Schumacher! Nach einem unendlichen Dialog über Dirk Nowitzki alias "Dik Nowaka NBA!NBA!" und Michael Ballack schnappt sich euer Kellner sein Handy und macht ein Foto von euch. Er faselt "germäääänniii, germäännii, deutschländ..." Ich glaube ihr habt gerade seinen Tag gerettet. Es fühlt sich gut an. Jeder würde am liebsten ein Stück Deutschland von dir mitnehmen und neben sich aufs Bett stellen. Zum Schluss beginnst du zu glauben, du bist wirklich etwas gaaaanz Besonderes. Ein einzigartiger Schmetterling oder sowas. Mit diesem Klasse Gefühl waren wir also angekommen. Wir zogen das komplette Touriprogramm durch. Besuchten die Petrona Towers und klapperten die ersten Malls ab. Wir feilschten in Chinatown um Cents und sind nun mit Kuala Lumpur T-Shirts ausgerüstet. Meins leuchtet sogar im Dunkeln. Sellengs nicht. HAHA! Gut, habe dafür 5 Ringgit mehr ausgegeben. Aber Leute, es leuchtet!! Es gab viele dieser Magischen Momente in KL. Kleine aber intensive, wie den Blick in eine schlammige Baustelle umsäumt mit Bambusrohren und dem durchdringenden Gebetsgesängen von hunderten Arbeitern. Warme und Nasse, wie den schlagartig einsetzenden Monsun, der uns auf eine Treppe zwang, neben der, der beste selbstgemachte Grillburger aus ganz Kuala Lumpur angeboten wurde. Einen ganz besonderen Moment muss ich etwas tiefer beschreiben. In dem Hostel in dem wir wohnten, arbeitete eine nette Angestellte. Als ich eines Morgens (es war 14.00, durch unseren Jetlag für uns wie früh Morgens ;) ) auf eine Fototour aufbrach, kamen wir ins Gespräch und verabredeten uns für eine typisch malaysische Karaoketour durch das nächtliche Kuala Lumpur. Peter und Selleng freuten sich und schon liefen wir zu viert in die warme Nacht. Am Treffpunkt angekommen erzähte sie, ihre Freundin würde uns im Auto mitnehmen. Hörte sich gut an. Nach einer halben Stunde hielt ein weißes Auto und wir sprangen rein. Nach einem kurzen Plausch versuchte uns die Freundin für ein Studium in Kuala Lumpur zu gewinnen. Keine schlechte Sache dacht ich mir. Die Schnellstraßen in KL führen in kreisartigen Bahnen zum Ziel. Von hinten musste unser Auto merkwürdig ausgesehen haben. Man konnte drei Typen sehen, die ihre Köpfe synchron zu einer Art Discotanz oder Gymnastik bewegten. In Wirklichkeit ließen wir die leuchtenden riesen Petrona Towers nie aus den Augen. Dies gaukelte uns ein Gefühl von Sicherheit vor. Bei jeder Kurve folgte unser Blick den Towers. Wir saßen also mit kreisender Kopfbewegung, in einem fremden Auto, auf dem Highway von Kuala Lumpur. Obwohl es sehr eng war, habe ich mich nie freier gefühlt. Die Freundin bekam einen Anruf und sagte, dass wir noch zu einem Freund müssen, um mit ihm zu essen. Ich wollte meine Karaokekünste verbessern und nicht essen. Sie war der Fahrer also los. Wir entfernten uns von Kuala Lumpur und kamen in eine eher dörfliche Gegend. Kleine Steinhütten ohne Türen, gerade so groß, als das man ohne reinzugucken weiß, dass man jeden Raum gesehen hat. Die Freundin hielt an. Wir stiegen aus. Obwohl es mittlerweile um 11 war, erschlug uns die Hitze. Wo waren wir? Ich dachte sofort an die Favelas in Brasilien. Die Freundin führte uns zu einer der ungezählten Hütten. Sie hielt einen vergilbten Vorhang hoch und lotste uns durch ein Loch in einen Raum. 4 Menschen saßen auf dem verlebten Teppich. Ein Fernseher, auf dem man schemenhaft und mit viel Phantasie ein paar typen Fußballspielen sehen konnte, sowie Gebetstexte und Bilder von der Königin, ließen die dreckigen Steinwände malayiisch aussehen. Unter all den dunklen Gestalten, die auf 5 Quadratmetern auf dem Boden saßen, stand in der Mitte ein kleines Kind, mit einem rosa Prinzessinnenkleid. Selbst Dahli hätte keine surrealere Situation erdenken können. Ein Mann mit großer Brille begrüßte uns auf malaysisch und verbeugte sich. Wir setzten uns zu den anderen und ordneten unsere Gedanken. Die Freundin erzählte uns, dass seine einzige Tochter heute 9 Jahre alt wird und dass er uns gerne zum Essen in sein Haus einladen möchte. Wir waren etwas überrascht und all die vorher so fremd wirkenden Personen, begannen zu lachen und stellten sich mit Verbeugung vor. Wir bedankten uns ebenfalls mit neu erweiterten Wortschatz auf malaysisch und sammelten fleißig Pluspunkte. Es gab so ziemlich die leckersten Nudeln mit kleinen zarten Fleischstücken die ich je gegessen hatte. Jeder von uns drei spührte, dass wir gerade was einmaliges erleben. Katzen konkurierten mit uns um die Nudeln, ein Gecko saß an der Wand, musste aber keine Sorgen haben nicht mehr rauszukommen, es gab schließlich keine Türen. Diese Menschen waren zwar unglaublich arm aber sie waren gücklicher, als jeder Deutsche, denn es fehlte ihnen nur ein bisschen Geld. Wir lachten viel und versuchten irgendwie den komischen Wackelpudding in unsere Mägen unterzubringen, um nicht unhöflich zu sein. Am Höhepunkt des Abends, sangen wir noch eine improvisierte Versionder bekanntesten deutschen Geburtstagslieder, für das noch junge Geburtstagskind. Der Vater rief ein paar Freunde an und probierte gewissenhaft aber ganz beiläufig zu erwähnen, dass er gerade deutsche Gäste hatte. Was haben wir in dieser Nacht über das Leben und über Vertrauen gelernt! Wir fuhren noch weiter und besuchten ein paar Clubs in denen wir die einzigen Weißen waren. Es kam kein Spirit mehr auf also nahmen wir ein "Texi" nachhause.Wir waren in einer anderen Welt. Das Zwielicht, der Schmutz und die Fremdheit waren weg und es trat das hervor, auf das es ankommt: Menschlichkeit. Wir haben in dieser Woche eine Menge erlebt. Vieles werde ich nicht im Block veröffentlichen. Ich bin mir sicher, zurück in Cottbus findet sich Zeit und ein Bier um alles auszuwerten. Wir haben Riesenscharben gesehen, die sich auf die Straße schmissen, nur um von einem Moped knackend überfahren zu werden und von einer Lache weißen Schaumes umgeben, ihr Ende zufinden. Wir sahen ein Gecko ins Aquarium fallen und wie er sich 2 Minuten gegen große und kleine Fische verteidigte, in dem er still auf dem Boden des Aquarium saß und jeden Fisch, der ihn anknabbern wollte, eine kräftige Backpfeife mitgab. Wir lernten was Tapferkeit bedeutete, als sich Selleng ein "Fischspa" gönnte und mithilfe von tausend kleinen "Minipyrhanas" die Füße auf vorderman bringen lies. Ich war zeuge wie ein Fisch, aufgrund von Sellengs Käsearoma den Tod fand und sofort von den anderen angeknabbert wurde. Ein paar Sekunden Ruhe. Peters besonderste Erlebnisse gewann er auf den Fluren Kuala Lumpurs. Wir erlebten die Nächte in den Bars und atmeten die Luft der Tropen, sahen Palmen und tranken den süßen Saft der Kokosnüsse.

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